Pflegeheim in Talheim: Standort und mehr …

Seit Jahren ist das Pflege- und Seniorenheim mal mehr und mal weniger Thema. So lange das neue Feuerwehrhaus noch nicht fertig gestellt war, war der Bereich Keltergasse / Sonnenstraße dafür vorgesehen. Es war von Maßanzug die Rede, Verhandlungen mit Grundstückseigentümern wurden geführt und städtebauliche Planungen entwickelt. Man hatte den Eindruck, alles geht seinen Gang und irgendwann wird es schon fertig sein. Die Dinge haben sich aber bekanntlich anders entwickelt als geplant. Somit kam ein neuer Standort in den Tannenäcker in die Diskussion.

Die BIT e.V. hat diese ganze Entwicklung mit Veranstaltungen, u.a. mit dem Bremer Ex-Bürgermeister Henning Scherf, Diskussionsrunden beim BIT – Bürgertreff und Gesprächen mit der Verwaltung begleitet. Insbesondere regte die BIT e.V. schon im Januar 2015 eine größere Bürgerbeteiligung an. Leider sind unsere ganze Bemühungen mehr oder weniger verpufft. Die ganze Diskussion rund um ein Pflege- und Seniorenheim konzentriert sich derzeit auf den Standort. Für mich sind übrigens beide Standorte nicht ideal.

Durch diese Konzentration auf die Standortfrage geraten nach meiner Ansicht nach andere Punkte in den Hintergrund: Wie wollen wir als Gemeinde Talheim auf die zunehmende Überalterung der Bevölkerung umgehen? Auch mit dem Wissen, dass 70% aller Pflegebedürftigen nicht in einem Heim sondern von Angehörigen gepflegt werden. Haben wir ein tragfähiges Konzept für die Zukunft? Ein Pflege- und Seniorenheim ist hier höchstens ein Baustein, aber nicht die alleinige Lösung. Zumal es keine Garantie für unsere Talheimerinnen und Talheimer gibt, einen Platz (unabhängig vom Standort) auch zu erhalten. Aber diese Diskussion, nämlich ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, wurde zwar im Ansatz bei der Gemeindeentwicklungsplanung 2025 (siehe Seite 69) geführt, dann aber nicht weiter verfolgt. Die Anregungen der BIT e.V., s.o., sind bei der ganzen Diskussion um den Standort mehr oder weniger unter gegangen.

Schaut man sich die Betreiber von Pflegeheimen genauer an, dann stellt man fest, dass diese sich in mindestens zwei eigenständige Firmen aufteilen. Der einen Firma gehört die Immobilie, die andere Firma ist für den Betrieb zuständig. Die für den Betrieb zuständige Firma mietet die Immobilie dann an. Dies bedeutet, dass die Betreiberfirma auch Immobilien von anderen Investoren anmieten kann. Es bedeutet aber auch, dass die Immobilienfirma das Pflegeheim an einen anderen Bereiber vermieten oder auch verkaufen kann. An dieser Konstruktion sieht man sehr wohl, dass ein Betreiber sich betriebswirtschaftlich eine gewisse Flexibilität erhalten möchte. Dies ist durchaus ligitim und sagt nichts über die Qualität der Pflege aus.

Aber man kann daraus den Schluss ziehen, dass ein Betreiber auch damit rechnet, dass ein Pflegeheim die Erwartungen, sprich Rendite, nicht erreicht. Wir haben aber bei der Standortfrage keine Flexibilität. Wenn es steht, dann steht es für die nächsten Jahrzehnte. Wir als Gemeinde können zwar entscheiden, wer das Pflege- und Seniorenheim anfänglich baut und betreibt. Danach sind wir aber aus dem Spiel und haben keinen Einfluß darauf, was in fünf oder zehn Jahren passiert (oder nicht passiert). Das Gebäude steht aber. Im übrigen kann niemand voraus sagen, wie sich die Pflege von bedürftigen Mitmenschen in fünf oder zehn Jahren entwickelt. Vielleicht haben wir bis dahin ganz andere Konzepte und Möglichkeiten und Pflegeheime sind in dem prognostiziertem Umfang gar nicht mehr notwendig. Natürlich kann die Entwicklung, auch das möchte ich nicht unterschlagen, in die entgegen gesetzte Richtung gehen und Pflegeheime betreuen dann 50% aller Pflegebedürftigen (derzeit: 30%). Wenn man aber den Umfragen unter den Betroffenen glauben schenkt, dann ist ein Pflegeheim nicht die erste Wahl. Bevorzugt werden von einer überwiegenden Mehrheit der Verbleib in den eigenen vier Wänden.

Fangen wir mit dem Ziel an: Für mich steht nicht allein im Mittelpunkt, ein Pflege- und Seniorenheim in Talheim zu errichten. Es geht mir nicht darum, an diesem Projekt für die ältere Generation sichtbar zu machen: Schaut her, wir tun was für Euch. Ein Pflege- und Seniorenheim ist auch nach meiner Ansicht nach nicht die Antwort auf die Frage, wie wir auf die zunehmende Überalterung der Bevölkerung umzugehen gedenken. Jeder, der auch nur ein wenig Mitgefühl entwickeln kann, tut es leid, wenn ein älterer Mensch seine gewohnte Umgebung nach Jahrzehnten, die er oder sie dort verbracht hat, verlassen muss. Wie kann man dem aber vorbeugen? Wie kann man erreichen, dass unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger bis ins hohe Alter ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können? Was sind die Punkte, die diesem Personenkreis wichtig sind? Alle diese Fragen sind in den Hintergrund getreten.

Schaut man sich die Ideen der möglichen Betreiber an, so ist im Tannenäcker vorgesehen, neben dem Pflege- und Seniorenheim auch betreutes Wohnen anzubieten. Ich gehe davon aus, dass das betreute Wohnen mit Blick über den Ort errichtet werden soll und das Pflegeheim dahinter. Wäre ich der Investor, würde ich es so machen. Die Wohnungen müssen vermietet oder an (Privat-)Investoren verkauft werden. Man kann sicherlich eine Wohnung besser mit Blick über den Ort vermieten oder verkaufen, als wenn man auf ein Pflegeheim schaut. Umgekehrt könnte man sich als Investor überlegen, dass der Bedarf an Pflegeplätzen schon dafür sorgen wird, dass das Pflegeheim die notwendige Belegungszahlen erreichen wird, um rentabel zu sein. Wenn auch die Aussicht nicht so schön ist, wie beim betreuten Wohnen.

Die Option, Pflege- und Seniorenheim in den Tannenäcker, betreutes Wohnen in der Ortsmitte, wird von den potentiellen Investoren höchstwahrscheinlich nicht unterstützt werden. Dafür ist, so denke ich, die Lage zur Vermarktung von betreuten Wohnungen zu attraktiv. Es ist durchaus vorstellbar, dass der Gemeinderat nach der Standortentscheidung für den Tannenäcker von den Investoren einen Entwurf präsentiert bekommt, bei denen die Bewohner des eigentlich im Mittelpunkt stehenden Pflege- und Seniorenheims nicht auf den Ort blicken, sondern auf das betreute Wohnen.

Viel Zeit und Energie ist in den Vergleich der beiden Standorte geflossen. Für mich sind wichtige Punkte bei der Standortentscheidung die Belebung der Ortsmitte und die Teilnahme am Leben in unsere Gemeinde. Beides ist an den beiden Standorten nicht in dem Umfang gewährleistet, wie ich mir dies wünschen würde. Am 11.07.2016 steht aber keine Gesamtkonzeption zur Abstimmung, sondern auf Beschluss des Gemeinderates vom 4. Juli 2016 die Standortentscheidung Tannenäcker oder Keltergasse / Sonnenstraße. Natürlich hat ein Standort auf der Höhe länger Sonne und der Wind weht auch häufiger. Dies bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass ein Standort im Tal schlecht sein muss. Keine 200m von der Keltergasse wird seit Jahrzehnten von der evangelischen Kirchengemeinde ein Kindergarten betrieben. Mir ist nich bekannt, dass die Kinder, die dort ihre Kindergartenzeit verbracht haben, irgendwelche Schäden davon getragen haben. Auch hat der Gemeinderat mit überwiegender Mehrheit dafür plädiert, die Schule im Tal zu sanieren. Ein Neubau auf der Höhe stand nie zur Diskussion. Nur beim Pflegeheim wird immer auf diesen Umstand hingewiesen.

Auch die Erweiterung ist im Tannenäcker nicht gegeben, außer in der Anzahl der Geschosse. Die Fläche ist begrenzt durch den Tannenäckerweg und die Hundsbergtraße. Richtung Osten steht ein landwirtschaftlicher Betrieb und Richtung Süden würde eine Bebauung die wichtige Frischluftzufuhr in den Ort behindern. Hier ist nicht einmal eine Hecke erlaubt, um eine evtl. großzügige Parkanlage des Pflegeheims einzugrenzen. Man denke hierbei an einen Bereich für demente Bewohnerinnen und Bewohner.

Für mich ist auch relevant, dass sowohl der Gemeinderat vor Jahrzehnten (deshalb wurde dort eine Streuobstwiese angelegt) als auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gemeindeentwicklungsplanung 2025 sich dafür ausgesprochen haben, die ortsnahen Grünflächen zu erhalten. Sie sind nicht im Flächennutzungsplan als solche vermerkt, so dass der jetzige Gemeinderat nicht aus juristischen Gründen darauf Rücksicht nehmen muss. Wenn ich also schon am 11. Juli 2016 nur über den Standort zu entscheiden habe, dann werde ich mich für den Standort Keltergasse / Sonnenstraße entscheiden. Eigentlich wäre es mir viel lieber gewesen, nicht über Standorte zu entscheiden, sondern eine Gesamtkonzeption für unseren Ort zu erarbeiten.

Pflegeheim in Talheim: Standort und mehr …

2 Gedanken zu „Pflegeheim in Talheim: Standort und mehr …

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